Erbringung des Nachweises der Straflosigkeit der Geschäftsführer einer deutschen GmbH

Urteil der Vergabekammer in Warschau vom 11. Mai 2011 (Az.: KIO 854/11)

Die Vergabekammer hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob das in Deutschland ausgestellte Führungszeugnis den Anforderungen des polnischen Vergaberechtes im Bereich des Nachweises der Straflosigkeit der Geschäftsführer entspricht.

I. Ausgangspunkt

Bieter in der Form einer juristischen Person mit Sitz in Polen haben dem öffentlichen Auftraggeber nachzuweisen, dass ihre Geschäftsführer nicht im Zusammenhang mit den nachfolgenden Straftaten rechtskräftig verurteilt wurden:

  • Straftaten im Zusammenhang mit einem Verfahren über die Erteilung eines öffentlichen Auftrags,
  • Straftaten gegen die Rechte von Personen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben,
  • Straftaten gegen die Umwelt,
  • Straftaten der Bestechung,
  • Straftaten gegen den Wirtschaftsverkehr,
  • andere Straftaten, die mit dem Ziel der Erlangung von Vermögensvorteilen begangen wurden,
  • Finanzstraftaten,
  • Straftaten der Beteiligung an einer organisierten Gruppe mit dem Ziel der Begehung einer Straftat oder Finanzstraftat.

Zu diesem Zweck haben polnische Bieter regelmäßig eine entsprechende Bescheinigung des polnischen Strafregisters vorzulegen.

Auch Bieter in der Form einer juristischen Person mit Sitz in Deutschland haben diesen Nachweis gegenüber dem polnischen Auftraggeber zu erbringen. Hierzu haben sie nach dem Text der Rechtsverordnung, die die im Ausschreibungsverfahren vorzulegenden Dokumente festlegt, eine behördliche Bescheinigung im oben bezeichneten Bereich vorzulegen. Wenn in dem Land, in dem der Bieter seinen Sitz hat, eine behördliche Bescheinigung nicht erteilt wird, ist die Beibringung einer Erklärung zulässig, die vor einem Notar oder einer hierzu berechtigten Verwaltungsbehörde abgegeben wurde.

II. Sachverhalt

Ein Bieter in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in Deutschland hatte in einem Ausschreibungsverfahren für den Nachweis der Straflosigkeit seiner Geschäftsführer entsprechende Führungszeugnisse beim öffentlichen Auftraggeber vorgelegt.

Mitbewerber vertraten während des Nachprüfungsverfahrens vor der polnischen Vergabekammer in Warschau die Auffassung, dass die Beifügung eines in Deutschland erteilten Führungszeugnisses nicht ausreiche, um eine Straflosigkeit in dem Bereich nachzuweisen, in dem dies vom polnischen Vergaberecht vorgeschrieben sei.

Zwar enthalte das Bundeszentralregister strafgerichtliche Verurteilungen, jedoch würden in das Führungszeugnis nicht alle Verurteilungen aufgenommen, wie z. B. Verurteilungen, durch die auf Geldstrafe von weniger als neunzig Tagessätzen oder auf Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten erkannt worden ist.

Das deutsche Führungszeugnis entspräche somit nicht der Bescheinigung des polnischen Strafregisters, die Bieter mit Sitz in Polen in polnischen Vergabeverfahren vorzulegen haben. Deshalb hätte für den Nachweis der Straflosigkeit neben dem Führungszeugnis eine vor einem Notar oder einer hierzu berechtigten Verwaltungsbehörde abgegebene Eigenerklärung des deutschen Bieters beigebracht werden müssen.

III. Entscheidung der Vergabekammer

Die Vergabekammer hat sich der Argumentation der Antragsteller nicht angeschlossen.

Sie führte in ihrer Begründung aus, dass eine im Ausland von der hierzu berechtigten Behörde ausgestellte Bescheinigung für den Nachweis der Straflosigkeit ausreichend sei, auch wenn der Umfang der im ausländischen Strafregister aufgenommenen Straftaten nicht vollständig mit dem des polnischen Strafregisters übereinstimme. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass sich die Rechtssysteme einzelner Staaten sowohl im Hinblick auf den Katalog der mit Strafe bedrohter Handlungen als auch hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Bestrafung unterscheiden würden.

Die Vorschriften der Rechtsverordnung, die die im Ausschreibungsverfahren vorzulegenden Dokumente festlegt, gehen nach Meinung der Vergabekammer eindeutig von dem Vorrang der amtlichen Bescheinigung aus. Darüber hinaus gebe es für den öffentlichen Auftraggeber keine Verpflichtung zur Prüfung, ob der Inhalt im Ausland ausgestellter amtlicher Bescheinigungen vollständig mit dem des polnischen Strafregisters übereinstimme. Der polnische Gesetzgeber habe bei der Gestaltung der Vorschriften über die beizubringenden Dokumente im polnischen Ausschreibungsverfahren die Unterschiede in den Rechtssystemen der einzelnen Staaten bereits berücksichtigt.

Die Vergabekammer hat darüber hinaus darauf verwiesen, dass die Rechtsprechung und die in der Rechtsliteratur vertretenen Ansichten über die durch ausländische Bieter vorzulegenden Dokumente nicht einheitlich sind. Deshalb würden ausländische Bieter neben dem amtlichen Dokument, das nicht vollständig mit den Vorgaben des polnischen Vergaberechtes übereinstimmt, ergänzend auch vor einem Notar abgegebene Eigenerklärungen vorlegen. Dies sei aufgrund der oben dargestellten Auffassung der Vergabekammer zwar nicht notwendig, aber als zulässig anzusehen.

IV. Praxistipp

Der in diesem Urteil vertretenen Ansicht der Vergabekammer ist zuzustimmen. Der polnische Gesetzgeber hat einer im Ausland erstellten amtlichen Bestätigung den Vorrang vor der Eigenerklärung des Bieters eingeräumt und dabei Unterschiede in den einzelnen Rechtsordnungen bewusst hingenommen. Dabei sollen weder der Bieter im Ausland noch der Auftraggeber in Polen verpflichtet sein, die Unterschiede in den beiden Rechtssystemen hinsichtlich des Katalogs der Straftaten sowie der Voraussetzungen für eine Strafbarkeit im Detail zu prüfen.

Aufgrund der nicht einheitlichen Auffassungen in der Rechtsprechung sowie der Rechtsliteratur ist es jedoch empfehlenswert, aus „Vorsicht“ neben der amtlichen Bescheinigung auch die vor einem Notar abgegebene Eigenerklärung dem Angebot beizufügen. Dies sollte zumindest die Bereiche betreffen, in denen es Unterschiede zwischen dem ausländischen und dem polnischen Rechtssystem gibt.

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